Bulletin #12

„Museion hat uns die Hand ausgestreckt“

Im Gespräch mit Alex Giovanelli und Philipp Kieser

von der Redaktion des Museion Bulletin: Caterina Longo und Mara Vicino
#Community
OCCUPY Museion Photo: Rosario Multari

Raum, Sichtbarkeit und die Möglichkeit zur Vernetzung bieten sowie einen unabhängigen Austausch zwischen lokalen Kreativen fördern. Mit diesen Anliegen wurde das Museion Art Club Forum 2021 gegründet: eine autonome Gruppe kreativer Macher*innen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, die beratend und planend als selbstständiger Thinktank tätig sind und das Netzwerk des Museion erweitern.
Alex Giovanelli und Philipp Kieser sind beide im Südtiroler Kreativbereich unterwegs und haben die Aktivitäten des Forums seit seiner Entstehung begleitet. Nun, wo sie den Stab weiterreichen, haben wir sie gefragt, wie es war, an dem ambitionierten Projekt mitzuwirken.

Forget me not Photo: Samira Mosca

Wie war das, Teil des Art Club zu sein? Könnt ihr kurz etwas dazu sagen?

Alex Giovanelli: Für mich war es tatsächlich so, dass das Museion gewissermaßen seine Hand ausgestreckt hat, und das finde ich ein sehr starkes Zeichen.

Warum ist der Museion Art Club wichtig für die kreative Szene?

AG: Ich denke, zunächst einmal ist es wichtig, dass eine Einrichtung wie das Museion lokale Talente erkennt und sich nach außen hin öffnet. Das ist meiner Meinung nach von grundlegender Bedeutung sowohl für den kreativen Sektor als auch für das Museion selbst, denn auf diese Weise wird ja gewährleistet, dass talents come in, und gleichzeitig verbindet sich damit eine institutionelle Bestätigung für das, was wir, die wir überwiegend im Bereich der Subkulturen aktiv sind, hier leisten; das ist ein boost of confidence und vermittelt einem Selbstvertrauen, wie es bei anderen ähnlich gelagerten Unternehmungen weniger der Fall ist. Darüber hinaus bietet ein solches Umfeld auch die Chance zu experimentieren, an Orten und mit Strategien, von denen man vielleicht träumt, die aber unter anderen Umständen möglicherweise nicht zu realisieren wären, sei es im Hinblick auf das Budget oder die logistische Machbarkeit.

Teatro de los Sentidos Photo: Samira Mosca

Da hast du ein sehr treffendes Wort benutzt, wie wir finden: Du sprichst von confidence, also von dem Selbstvertrauen, das dir eine Institution gibt.

AG: So bekommt man gleich ein völlig anderes Selbstvertrauen: Ich denke immer noch an die Ausstellung TECHNO – vielleicht erinnert ihr euch – und daran, dass Frida (Carazzato, Forschungskuratorin am Museion, Anm. d. Red.) damals etwas aufgebaut hat, was für mich unglaublich war … nämlich ein Archiv der Südtiroler Subkultur. Daraufhin kam ein sehr positives Feedback von jungen Menschen, denn bis dahin hatten wir weder Anerkennung vonseiten der Gemeinden erfahren noch durch das Südtiroler Umfeld im Allgemeinen, im Gegenteil! Wir mussten uns quasi noch bedanken für die Gelegenheit, unseren „Quatsch“ machen zu dürfen, um es einmal geradeheraus zu sagen, und unsere Kindereien do zu treiben. Damit möchte ich nicht sagen, dass wir von Einrichtungen oder von öffentlichen Ämtern in keinerlei Weise unterstützt worden wären. Doch auf kommunaler Ebene besteht eine – sagen wir einmal – gewisse Skepsis gegenüber dem, was wir tun, und die beobachten wir in vielen Kontexten, wie beispielsweise auch im Fall des Ost West Club in Meran oder bei den Problemen, mit denen Basis aktuell zu kämpfen hat. Eigentlich müsste man diesen Initiativen doch den roten Teppich ausrollen! Wir reden davon, wie das Südtirol der Zukunft aussehen soll, und davon, dass man Freiraum braucht, um etwas auf die Beine zu stellen, nicht mehr und nicht weniger. Die Möglichkeit, im Museion etwas zu organisieren – das gibt der Institution Relevanz.

Freiraum, der in Bozen fehlt …

AG: Naja, ich würde schon sagen, in vielen weiteren Gemeinden auch. Ich habe bereits in ganz Südtirol gelebt, von Brixen bis zum Vinschgau und Meran, und komme ursprünglich aus dem Südtiroler Unterland, kenne also viele Gegebenheiten vor Ort – wobei ich allerdings den Eindruck habe, dass ganz langsam diese Haltung endlich bröckelt. Ich habe das Gefühl, dass gerade eine neue Diskussion im Gang ist. Und das Museion hat ebenfalls Dinge in Bewegung gesetzt, so meine ich, indem es eine bestimmte Art von Sicherheit gewährt, dass man auch hinausgehen kann über den Rahmen des Gewohnten.

Und die Zeit, in der ihr aktive Mitglieder des Museion Art Club wart – welche Auswirkung hatte das auf euer Leben?

Philipp Kieser: Es war unglaublich bereichernd, mit Gleichgesinnten zusammenzuarbeiten – viele von ihnen kannte ich bis dahin nicht oder hatte noch nie gemeinsam mit ihnen gearbeitet. Diese Erfahrung hat für mich das kreative Potenzial deutlich gemacht, das man in der Gruppe entfaltet und über das man gesellschaftliche Innovationen anstoßen kann. In Südtirol wird das meist unterschätzt: Was es braucht, ist Freiraum und finanzielle Unterstützung zum Aufbau eines Kulturnetzwerks, um kreative Köpfe zusammenzubringen, die in dem Bereich tätig sind. Das Museion hat den Anfang gemacht, nun müssen weitere öffentliche und private Einrichtungen nachziehen.

Longing for belonging Photo: Elisa Cappellari

Und einmal ganz konkret: Was hat der Museion Art Club für euch möglich gemacht?

PK: In einem geradezu ideal erscheinenden Umfeld arbeiten zu können, in dem ich Gelegenheit hatte, Veranstaltungen zu kuratieren und hierfür in angemessener Weise entlohnt zu werden – das hatte erhebliche Auswirkungen auf mich. Ich konnte damit experimentieren, wie es sein kann, das zu tun, was man liebt, bei Erhalt der Vergütung, die man verdient. Diese Erfahrung hat mir vor Augen gestellt, was möglich ist, wenn man einer kreativen Arbeit in einem professionellen Kontext nachgeht, in dem man Unterstützung erfährt. Und zweitens – wobei das nicht weniger wichtig ist – hat das Museion unsere Gemeinschaft gefördert, indem es unserer Stimme Gehör verschafft und sich öffentlich für uns einsetzt.

Hat sich mit dem Engagement im Museion Art Club euer bisheriger Blick auf das Museum verändert? Und auf den Einfluss, den die Institution – oder auch eine andere außerhalb Bozens – auf die Öffentlichkeit ausüben kann?

AG: Sagen wir mal so: Ich hatte vorher eine deutlich statischere Wahrnehmung des Museums, und auch die zeitgenössische Kunst war für mich eher etwas Abgetrenntes; sofern ich überhaupt Interesse an ihr hatte, war da gleichzeitig eine Mauer, wo man dachte: o. k., aber was hat das mit mir zu tun? Ich schätze, dass wir nun weitaus offener sind, denn auch in Bezug auf Denkweisen haben wir sehr viel dazugelernt. Nicht nur dank des unschätzbaren Inputs, der vom Team des Museion kam, sondern ebenfalls aus anderen Bereichen: Inzwischen weiß ich, wie ein Event durch einen Designer, einen Operndirektor, eine Kuratorin geplant wird oder wie jemand aus dem Marketingteam des Museion da herangeht … das ist von großem Wert.

PK: Alles in allem würde ich sagen, dass die Vision des Museums, wie sie Bart (van der Heide, Direktor des Museion, Anm. d. Red.) vertritt – als ein aktiver und dynamischer Raum, der sich von einer statischen Einrichtung weiterentwickelt zu einer organischen, mit Anbindung an das lokale Umfeld ebenso wie an ein internationales Netzwerk –, dass also diese Vision mir die Augen geöffnet hat. Mir wurde bewusst, dass ein Museum weitaus mehr darstellen kann als eine statische Institution. Es kann ein Ort der Forschung und Interaktion, der Vernetzung, Fürsorge und Innovation sein, ein Raum, der Menschen zusammenbringt und sich schneller anpasst, als man erwartet hätte. Diese Vorstellung einer organischen und kontinuierlichen Entwicklung war neu für mich.

WERK: THE INTRO BALL, EVERYONE’S A 10! Photo: Samira Mosca

Also seid ihr begeistert? Was ließe sich noch verbessern?

AG: Aber ja! Es gab doch keinen Präzedenzfall, nicht einmal etwas Vergleichbares in einem anderen Bereich – ein Modell –, mit Ausnahme von ein paar references auf internationaler Ebene. In Anbetracht der Instrumente, die uns zur Verfügung standen, war es ein Erfolg! Selbstverständlich wäre da noch eine Menge, worüber man sprechen sollte, es ist ein Prozess … und die Verbesserung des Projekts gehört mit zu ihm dazu.


Der Museion Art Club wird unterstützt von den Museion Private Founders als privaten Förder*innen der Stiftung und passionierten Fürsprecher*innen der zeitgenössischen Kunst. Ziel ist es, eine Brücke zwischen dem Kultur- und dem Unternehmensbereich zu schlagen und einen fruchtbaren wechselseitigen Austausch zu ermöglichen.

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