„Wie bei anderen Vorhaben auch besteht die gestalterische Konzeption einer Ausstellung hauptsächlich darin, sich viele Fragen zu stellen, nach verschiedenen, auch disparaten Referenzen zu suchen und die eigenen Gewissheiten und Sichtweisen auf den Prüfstand zu stellen.“ So die Antwort Pietro Ambrosinis vom Kollektiv Campomarzio, das für die Gestaltung der Ausstellung zur Sammlung Righi verantwortlich zeichnet, als wir ihn baten, von seiner Tätigkeit zu erzählen. Tatsächlich beschränkt sich das Gestaltungskonzept nicht nur auf die physischen Strukturen, anhand derer die Werke im Ausstellungsparcours präsentiert werden, es ist vielmehr das Ergebnis eines intensiv und interdisziplinär geführten Dialogs zwischen Architektur, Kunst und Design sowie den Themen der Ausstellung selbst; jede in dieser Phase getroffene Entscheidung kann tiefgreifenden Einfluss auf die Weise haben, wie das Publikum die Exponate einer Ausstellung wahrnimmt, erlebt und begreift. Einige sich hiermit verbindende Aspekte möchten wir in dieser Ausgabe des Museion Bulletin vorstellen und präsentieren daher bislang noch unveröffentlichtes Material: die Entwurfsskizzen für die gestalterische Umsetzung der Ausstellung AMONG THE INVISIBLE JOINS Werke aus der Sammlung Enea Righi sowie einige Notizen des Kollektivs Campomarzio.
Die Konstruktion einer auf Paradoxien beruhenden Welt
Campomarzio und die Gestaltung der Ausstellung AMONG THE INVISIBLE JOINS
Die Gestaltung einer Ausstellung ließe sich beschreiben als die Konstruktion einer auf Paradoxien beruhenden Welt, denn sie ist sichtbar und unsichtbar zugleich; sie ist ein halb im Verborgen bleibender Unterbau und wirft mehr Fragen auf, als dass sie Antworten gibt. Sie ist ein Palimpsest mit seinen eigenen Logiken, Schichten und Ebenen. Sie deutet eher an, als dass sie klarstellt, lässt das eine hervortreten oder verdeckt das andere, und gelegentlich gibt sie auch etwas frei, sodass die zugrunde liegende Struktur für uns erkennbar wird.
In diesem Sinne ist die Ausstellungsgestaltung auch das Resultat eines kollektiven, multidisziplinären und vielgliedrigen Prozesses. Entscheidende Bedeutung hat der Austausch mit den Kurator*innen insofern, als sie die Verbindungen zwischen den Kunstwerken, dem Ausstellungsraum und den inhaltlichen Aussagen der Ausstellung abstecken. In deren Dienst muss auch das gestalterische Konzept stehen, das auf einer verborgenen Ebene wirkt. Es ist oftmals schwierig, all diese Faktoren in eine gute Balance zu bringen: Mal gelingt es, mal nicht. Bisweilen lässt man die Werke für sich sprechen, ohne weiter zu intervenieren, dann wieder beschreitet man radikalere Wege und rückt Elemente des Ausstellungsdesigns in den Vordergrund, die die Raumwirkung bestimmen oder Resonanzen erzeugen.
Tatsächlich stand die Umsetzung der Ausstellung AMONG THE INVISIBLE JOINS am Abschluss eines sehr langwierigen und schwierigen gemeinsamen Weges. Dabei drohten die außergewöhnliche Kraft der Werke, ihre schiere Menge und künstlerische Dichte das fragile Gleichgewicht zu sprengen. Der Rundgang sollte kein einfacher Ausstellungsbesuch sein, sondern die Erfahrung einer intimen und persönlichen Reise ermöglichen.
Aus diesem Grund haben wir von Hand gezeichnet und zahlreiche Skizzen und Entwürfe angefertigt. Sie gestatteten es, einen schnellen und „frischen“ Blick auf die gestalterische Wirkung werfen und die peu à peu getroffenen Entscheidungen quasi in Echtzeit zu überprüfen. Anschließend wurde das Ganze ein weiteres Mal maßstabsgetreu gezeichnet, um die Abmessungen und Verhältnisse der leeren und gefüllten Räume zueinander einer erneuten Kontrolle zu unterziehen und zusätzliche Änderungen vorzunehmen. Am Ende eines iterativen Prozesses stand die realisierte Ausstellungsumsetzung, in der sich 14 verschiedene Teilausstellungen „verbergen“.
Insbesondere eine Sache jedoch ist im Zuge der verschiedenen Überarbeitungsprozesse gleich geblieben und wurde kaum Veränderungen unterzogen, nämlich das Eingangsportal. Die gesamte Gruppe war sich stets darin einig, dass eine Schwelle notwendig sei, eine symbolische und physische Grenze, die die Besucher*innen überschreiten müssen, sodass ein Moment des Innehaltens vor dem bewussten Betreten der „Welt“ der Ausstellung entsteht.
Das Portal sollte ein reines Objekt darstellen, sozusagen archetypisch sein und so massiv wie eine archäologische Struktur, zugleich aber so immateriell und fragil wie eine Fata Morgana. Eine Infrastruktur, die die institutionelle Logik „durchbricht“, indem sie eine hybride Grenze zwischen innen und außen schafft, sich in den Ort einfügt, der sie beherbergt, und im Einklang steht mit der Vorstellung, dass ein Museum einen komplexen Raum der Interaktion und der Wechselbeziehungen darstellt. Darüber hinaus sollte sie eines der zentralen Themen der Ausstellung hervorheben – den Körper und die Frage danach, was dieses Etwas ist, das wir Körper nennen, wo seine Grenzen liegen und welche Beziehung wir zu ihm haben, auf welche Weise wir ihn bewohnen und er den Raum bewohnt.
Da war es in gewisser Weise ganz natürlich, sich ein reflektierendes, fast schon hedonistisches Objekt vorzustellen – eine geradezu unverfrorene Anspielung auf das Monumento Continuo von Superstudio. Die spiegelnde Oberfläche dieses Objekts sollte in Schwingung treten mit Philippe Parrenos unglaublicher Arbeit – und sie ins Unendliche multiplizieren –, aber auch mit dem Publikum interagieren, das im Akt des Durchschreitens sich selbst betrachten, befragen und möglicherweise wiedererkennen würde.
Die Ausstellung AMONG THE INVISIBLE JOINS Werke aus der Sammlung Enea Righi ist noch bis zum 02.03.2025 im Museion zu sehen. Öffnungszeiten Di-So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 22 Uhr (freier Eintritt ab 18 Uhr)
Das Ausstellungsprojekt präsentiert eine große Bandbreite an Kunstwerken, Architekturentwürfen und Künstler*innenbüchern renommierter internationaler Positionen. Die ausgewählten Werke regen dazu an, über transitorische Räume der heutigen Existenz nachzudenken, in denen sich gesellschaftspolitische Spannungen mit künstlerischem Ausdruck verflechten.