Goldschmied & Chiari: Dove andiamo a ballare questa sera?

22.10.—22.11.2015, 20:00
Goldschmied & Chiari. Foto: Toni Thorimbert

Wenn das Fest endet, bleiben die Reste. Wenn das „Fest“ ein Staat ist oder ein „Zeitgeist“, der ein Jahrzehnt lang überdauert und damit eine Epoche italienischer Geschichte prägt, ist der Blick auf die eher armseligen Reste nicht gerade ein erfreuliches Schauspiel.

20.00 h. Artist Talk mit Frida Carazzato.

Dieses Szenario steht hinter der Arbeit „Wohin gehen wir heute Abend tanzen?“ die das Künstlerinnenduo Goldschmied & Chiari für das Atelierhaus des Museion entwickelt hat. „Wohin gehen wir heute Abend tanzen?“ fügt sich in ein italienweites Ausstellungsprojekt „L’Albero della cuccagna. Nutrimenti dell’arte” ein, das von Achille Bonita Oliva kuratiert wird. Das Projekt, an dem sich mehrere Museen und Kunsteinrichtungen beteiligen, steht unter der Schirmherrschaft der EXPO 2015 und entstand in Zusammenarbeit mit dem Programm „Sensi Contemporanei” der Agenzia per la Coesione Territoriale und dem Ministerium für Kultur und Denkmalpflege (MIBACT).

Mit ihrer Intervention in Bozen orientieren sich Goldschmied & Chiari an den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Italien ein Schlaraffenland zu sein schien, in dem alles möglich war. Die Rauminstallation ist daher eine Metapher für dieses Jahrzehnt, das hier mit der Inszenierung eines beendeten Fests Gestalt annimmt. „Die achtziger Jahre - für uns die Zeit der Kindheit – waren eine Epoche des hemmungslosen Konsums, des Hedonismus, der Finanzspekulation, der TV-Massenunterhaltung, der sozialistischen Politik und – natürlich – der Feste. Im Verlauf unserer Recherchen fanden wir einen 1988 erschienenen italienischen Diskothekenführer („Wohin gehen wir heute Abend tanzen“), der uns zu dem Titel dieser Arbeit inspiriert hat. Verfasser war der damalige Außenminister Gianni De Michelis, das Vorwort stammte von Gerry Scotti. „Wohin gehen wir heute Abend tanzen“ ist nur zugänglich, wenn das Museum geschlossen ist und Dunkelheit herrscht, von der Abenddämmerung bis zum Sonnenaufgang. Der Schaukasten zeigt die Reste eines verlassenen Festes wie etwa die Überreste eines Banketts – die Trümmer des Schlaraffenlands“, beschreiben die Künstlerinnen ihre neue Installation.

Dieses Werk wirkt wie die ideale Fortsetzung einer anderen Arbeit von Goldschmied & Chiari aus der Sammlung Museion: „Genealogia di Damnatio Memoriae”, 2009. „Genealogia di Damnatio Memoriae” ist eine Magnolie, die auf der Rasenfläche vor dem Museion (Talferseite) steht. In die Rinde der Pflanze wurden Daten und Orte eingeritzt, die in Italien von 1969 bis 1980 als Tatorte von Terroranschlägen im Rahmen der so gerannten „Strategie der Spannung” eine Rolle gespielt haben – von der Piazza Fontana bis zum Bahnhof von Bologna. Die Einträge auf diesem „Stammbaum“ enden 1980 – am Beginn jenes Jahrzehnts oder „Schlaraffenlands“, das Goldschmied & Chiari im Atelierhaus des Museion künstlerisch zu einer neuen, bitteren Bestandsaufnahme verdichten.

GOLDSCHMIED & CHIARI

Seit 2001 arbeiten Sara Goldschmied (1975) und Eleonora Chiari (1971) als Künstlerinnenduo in Mailand. Goldschmied und Chiari nutzen in ihrem künstlerischen Werk unterschiedliche Medien wie Fotografie, Video und Installation. Die beiden Künstlerinnen erarbeiteten sich mit zahlreichen Ausstellungen internationale Anerkennung und kooperieren mit angesehenen Kunsteinrichtungen und Museen im In- und Ausland. Das Duo nahm an mehreren Großausstellungen teil (Biennale in Venedig, 2009, Dublin Contemporary, Berlin Biennale, Videozone, Video-Biennale Tel Aviv, Biennale Sletto & Corso, Séléstat, Quadriennale in Rom). 2012 gewannen sie – als beste Vertreter der jungen italienischen Kunst – den Preis des Museums für zeitgenössische Kunst Castello di Rivoli. Die Künstlerinnen waren Kandidaten für das Rockfeller Foundation Bellagio Center Creative Arts Fellowship 2015 und wurden vom Museo del 900 in Mailand und vom National Museum of Women in the Arts in Washington in die Ausstellung „Organic Matters, Women to Watch 2015“ aufgenommen. 2007 gewannen sie den vom Museion in Bozen ausgeschriebenen Preis für Kunst an der Baustelle.

Goldschmied & Chiari: Dove andiamo a ballare questa sera?

Veranstaltung

22.10.—22.11.2015, 20:00