Bulletin 1.5

Wir sehen uns in acht Tagen auf dem Sellajoch

Richard Long in den Dolomiten

von Karin Welponer, Künstlerin und Gründungsmitglied und Präsidentin der Galerie Museum -ar/ge Kunst.
Karin Welponer con Richard Long. Foto courtesy Marion Piffer Damiani

1996 folgte der Künstler Richard Long, einer der prominentesten Vertreter der europäischen Land Art Bewegung, der Einladung von Karin Welponer, eine Einzelausstellung in der Galerie Museum ar/ge Kunst in Bozen zu realisieren. Für die Ausstellung mit dem Titel “DOLOMITE STONES” wanderte der Künstler acht Tage lang durch die Dolomiten, zwischen den Gipfeln des Fanes Puez, des Sellastocks und des Langkofels. Richard Long schuf dabei mehrere Werke, die nun Teil der Sammlung des Museions sind. Karin Welponer erzählt von dieser außergewöhnlichen Begegnung.

Ein roter Stempel mit zwei Füßen auf einem halben Blatt Papier, wenige Worte mit Bleistift geschrieben, das war seine lapidare Zusage auf die Einladung zu einer Ausstellung in der Galerie Museum. Ich hatte ihn mit Luftaufnahmen der Dolomiten von Jogg Tappeiner gelockt, mit detaillierten Wanderkarten und den Dolomitensagen.

Ein Jahr darauf holten Marion Piffer, die damalige Direktorin der Galerie und ich Richard in der Villa di Verzegnis ab und begleiteten ihn von Cortina hinauf nach Fanes. Nachdem wir auf der Lavarellahütte übernachtet hatten, wanderten wir am Morgen noch ein Stück zusammen, dann entließ er uns: „See you in 8 days at 2 pm at Sella Pass!“, und entschwand mit seinem riesigen Rucksack in die Bleichen Berge.

Fanes – Puez – Sella, auf dem Piz Boe’, auf 3.150 m Höhe verbrachte er zwei Tage. In seinem winzigen Zelt erlebte er ein nächtliches Gewitter. Richard Long will seine Arbeiten im Gelände anonym wissen und wer zufällig einen seiner Kreise entdeckt, weiß wahrscheinlich nichts von diesem seltenen Glücksfall. Am Sellajoch kam er dann auf die Minute genau hinter einem Felsblock hervor und strahlte. Nur das Auffinden von Trinkwasser sei etwas problematisch gewesen.

Die Steine für die Ausstellung „DOLOMITE STONES“ holte er aus einem Porphyrbruch im Eggental, den Lehm aus der Etsch. Mit diesem Lehm hat er auch meinem Haus seinen Stempel aufgedrückt. Als ich einmal vom Äpfel pflücken nach Hause kam, entdeckte ich im Atelier auf einem Balken etwas Lehm mit seinen Daumenabdrücken. Listig schickte er mich auf die Suche und da waren noch zwei weitere Reihen mit seinen Spuren. Mit Vorliebe nutzte er den Bügeltisch zum Arbeiten. Mit knappen Anweisungen skizzierte er das Layout für den Katalog. Noch sparsamer hat er das Format des Entwurfs gestaltet – 7,5 x 11 cm.

Die Installation „Eggental Circle“ kam in den Besitz des Museions und wurde damals im Garten hinter der Galerie in einer Voliere zwischengelagert. Eines Tages wurde für eine Ausstellung in Klagenfurt eine Transportfirma geschickt, um die Arbeit abzuholen. Der Fahrer war es bald Leid Steine auf den Laster zu laden und fuhr ab. Am Tag darauf war er wieder da und holte voller Groll und Unverständnis die liegengelassenen Brocken ab.

Richard Long, “EGGENTAL CIRCLE”, 1996. Installation (Porphyr), 400 cm Ø. Sammlung Museion. Foto: Ludwig Thalheimer / Lupe.

Richard will auf seinen Wanderungen niemanden dabei haben. Doch kann man beim Betrachten seiner Fotoarbeit ,,A Walk Across England“ die von ihm zurückgelegte Strecke von der West- zur Ostküste nachwandern und so seiner poetisch­epischen und humorvollen Wahrnehmung folgen. „Carrying a stone each day close to my heart“. Im Bild sind auch wieder die beiden Füße zu sehen, die er in einem fließenden Gewässer kühlt. Auf der Seite gegenüber ein Zweig mit Äpfeln. Äpfel, mit denen er mich in Verbindung bringt und über deren Gedeihen er stets informiert sein will.

Bulletin 1

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