Bulletin 2.6

Wie sähe ein Museum auf dem Mond aus?

Brita Köhler interviewt David Gruber, den Direktor des Naturmuseums Bozen

von Brita Köhler & David Gruber
Beautiful Desolation – Die Darstellung der Mondlandschaft im Rahmen der Sonderausstellung „Mondwärts“ im Naturmuseum Südtirol. Foto Benno Baumgarten

1. Wenn Du ein Museum auf dem Mond bauen könntest, was für eine Art von Einrichtung wäre das und welche Aspekte müsste es auf jeden Fall erfüllen?

Von der Erde aus betrachtet ist der Mond ein sehr schöner und immer lohnender Himmelskörper. Erst einmal dort angekommen, würde ein Mondbewohner aber schnell feststellen wie karg, eintönig, und lebensfeindlich sein neuer “Lebens”-raum ist: Kein Wasser, keine Blumen oder Tiere, ein tagein wie tagaus ununterbrochen tiefschwarzer Himmel, kein Wind, kein Regen, und allumfassende Totenstille. Wenn es die Menschheit dort oben längerfristig aushalten will, dann braucht sie einen Bezug zu ihrer ursprünglichen Heimat, der Erde. Ein Museum auf den Mond wäre also genau solch ein Ort, der den Bezug zur Wiege der Menschheit, der Schönheit und Vielfalt des Lebens und der wunderschönen Oase im dunklen Kosmos wiederherzustellen vermag. Somit wäre aus meiner Sicht das erste Museum auf dem Mond wohl ein Museum über die Erde ?.

2. Hat jemals ein Kunstwerk Deine Sicht auf die Astrophysik beeinflusst? Wenn ja, welches und inwiefern?

Ich würde eher behaupten, es war umgekehrt. Die Wissenschaft, hat über Umwege meine Sicht auf die Kunst beeinflusst, der ich ursprünglich äußerst kritisch gegenüberstand. Für den Sinneswandel verantwortlich ist eine Kommilitonin an der Universität Wien, Ulrike Kuchner, Astrophysikerin, aber eben auch Künstlerin, die mit ihrer Ausstellung “Measuring Mistakes” sichtbar gemacht hat, dass selbst in astronomischen Kalibrationsbildern hochkomplexer und hochpräziser Maschinen Kunstvolles enthalten ist. Wenn ich mich richtig erinnere, so sagte sie mir, dass beide, Kunst und Wissenschaft, die Welt erklären möchten, dabei nur unterschiedliche Mittel verwenden. Das schwingt noch heute nach und ich versuche seither die Kunst mit anderen Augen zu sehen.

3. Museen entwickeln sich immer mehr zu öffentlichen Plattformen, die gesellschaftliche Fragen zur Gegenwart aufwerfen und sich, wie im aktuellen Ausstellungsprojekt des Museion, auch in interdisziplinären Bereichen bewegen. In welcher Form könnten die Wissenschaft und die Kunst Deiner Meinung nach gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft sorgen?

Wenn wir uns einige der 17 von der UNO formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung vor Augen führen, “Armut und Hunger beenden”, “gesundes Leben”, “Bildung gewährleisten”, “Gleichberechtigung der Geschlechter”, “Zugang zu moderner Energie”, “Bekämpfung des Klimawandels”, “Ökosysteme schützen”, um hier nur einige zu nennen, so wird unmittelbar klar, dass es sich um transdisziplinäre Themenbereiche handelt, die alle Teile und Schichten der Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Ich glaube, dass es eine Stärke der Wissenschaft ist, vernunftsbezogen und rational Probleme zu benennen, zu identifizieren und Lösungsansätze und -wege aufzuzeigen. Aber diese müssen bei den Bürger*innen und Entscheidungsträger*innen nicht nur ankommen, sondern diese auch zum Handeln bewegen, sie müssen verankert und verinnerlicht werden, damit die entscheidende Transformation der Gesellschaft für eine nachhaltige Zukunft gelingen kann. “Nachhaltigkeit” ist eben nicht eine umwelttechnische, sondern primär eine kulturelle Herausforderung. Und da sehe ich die Kunst gegenüber der Wissenschaft insofern im Vorteil, als dass sie es immer wieder aufzurütteln vermag, Horizonte erweitert, Zusammenhänge sichtbar macht und alte Denkmuster durchbricht, um eine neue, v.a. emotionalere Sicht auf die Dinge zu ermöglichen. Kunst und Wissenschaft befruchten sich gegenseitig und nirgendwo sonst sieht man dies besser als in Museen.

Brita Köhler (Koblenz, 1973) ist Verantwortliche des Bereichs Besucherservice/Bildungsprojekte des Museion. Sie studierte an der Hochschule der Künste in Berlin Kunst und Pädagogik und ist seit fast 20 Jahren in der Kunstvermittlung tätig. In ihrer Freizeit genießt sie neben Kochgelagen mit Freunden und anregenden Themen die Natur und das Schweigen.

David Gruber (Bozen, 1984) ist der Direktor des Südtiroler Naturmuseums in Bozen. Er studierte Astronomie in Wien und promovierte auf dem Gebiet der Hochenergie-Astrophysik am Max-Planck-Institut in München. In seiner Freizeit schaut er bei wolkenlosem Himmel am liebsten auf die Sterne (nachts). Er ist ein leidenschaftlicher Frisbeespieler (tagsüber) und liebt Brettspiele (abends), verliert aber nicht gerne!

Bulletin 2

Bewegung und Grenzen