Bulletin 4.6

Walter Pichler: Architektur-Skulptur

von Andreas Hapkemeyer
Foto: Luca Meneghel

Im Sommer 2022 jährt sich zum 10. Mal der Todestag des österreichischen Künstlers Walter Pichler. Pichler wurde 1936 im Eggental in Südtirol geboren und gelangte als Kind im Zuge der Option mit seiner Familie Pichler nach Österreich. Für Pichler war die Umsiedlung ein traumatisches Erlebnis. Walter Pichler gehört zu den großen Einzelgängern der zeitgenössischen europäischen Kunst. Seine Anfänge liegen im Bereich der utopischen Architektur, die in den 1960er Jahren ausgehend von Wien international Aufsehen erregt, da sie versucht, die Architektur von den Zwängen der physischen Realisierung zu befreien.

Bezeichnend für Pichlers Werk ist, dass Zeichnung, Skulptur und Architektur ein Kontinuum mit fließenden Übergängen bilden. Ausstellungen im MoMA New York, in bedeutenden Museen und Ausstellungsinstitutionen Europas oder auf der documenta in Kassel und der Biennale von Venedig sind Zeichen für die internationale Anerkennung seiner Arbeit. Er ist das, was man einen Künstler-Künstler nennen kann: ein vor allem von Künstlern (und Architekten) geehrter ‚Gesamtkünstler‘.

Aus Anlass des 10. Todestags präsentiert Museion in der Passage 11 Zeichnungen aus der Sammlung, die zum Zyklus „Haus in der Schlucht“ (1991) gehören. Charakteristisch für diese Werke ist es, dass es sich um architektonische Zeichnungen handelt und zugleich um autonome Kunstwerke, die von einer Spannung zwischen konstruktiver Präzision und archaischem Grundton leben. Diese Zeichnungen entwickeln den lang vom Künstler gehegten Traum, sich im unteren, wilden Teil des Eggentals einen Turm zu bauen, um in ihm bei seinen Südtirol-Besuchen zu wohnen. Aufgrund der Enge der Schlucht sehen die Zeichnungen eine Belichtung des Baus von oben vor. Die im Museion gezeigten Zeichnungen von 1991 stellen Vorarbeiten dar für das 2002 in Birchabruck realisierte Haus neben der Schmiede. Aus dem Turm ist nun ein unterkellerter Flachbau geworden, der ebenfalls von oben belichtet ist. Dieses Haus realisierte der Künstler gemeinsam mit seinen Südtiroler Cousins, die in Bozen ein Stahlbauunternehmen betreiben. Auch dieses Haus sollte dem Künstler als Rückzugsort dienen, aber ebenso der Familie Pichler als Versammlungsort.

Die alte Schmiede in Birchabruck ist seit Generationen im Besitz der Familie Pichler und wurde zuletzt vom Onkel des Künstler und davor vom Großvater betrieben. Der Ort ist also stark mit der Familiengeschichte des Künstlers verbunden. Er hat einmal gesagt, dass Erinnerung eines der wichtigsten Materialien ist, aus denen das Haus neben der Schmiede besteht. Zusammen mit der alten Schmiede bilden das Haus und die von Anfang an geplante, aber erst 2015 fertiggestellte Plattform über dem Bach ein einzigartiges Ensemble.

Nicht nur der Bau selbst, sondern auch die Inneneinrichtung des Hauses neben der Schmiede ist in jedem Detail vom Künstler gezeichnet und nach seinen genauen Vorgaben handwerklich realisiert. Pichlers handwerklicher Ansatz und neueste Technologie finden hier mit größter Präzision zusammen. Das ist ein Beispiel für ein komplexes kulturelles Erbe, bei dem Jahrhunderte alte Handwerkstradition, High Tech, Kunst und Architektur auf außerordentliche Weise zusammenfinden.

Pichlers skulpturale Werke finden ihre idealtypische Präsentation nicht in Museen oder Kunsthallen, sondern auf einem Areal in St. Martin im Burgenland, wo sich auch das Wohnhaus des Künstlers befindet. Jede Skulptur hat dort eine vom Künstler eigens konzipierte und handwerklich realisierte architektonische Hülle.

Die Tatsache, dass es keineswegs leicht ist, skulpturale Werke von Walter Pichler zu sehen, macht das Eggentaler Ensemble zu etwas so Besonderem. Die Präsentation im Museion macht es sich zur Aufgabe, auf dieses Ensemble hinzuweisen.

In Absprache mit der Familie Pichler, der das Haus neben der Schmiede gehört, wird das Ensemble jetzt an drei Donnerstagen zugänglich gemacht, und zwar am 30. Juni, 28. Juli und am 1. September (Anmeldung im Museion erforderlich 0471/223413). Am 16. Juli findet dort auch ein für die Talbewohner gedachtes Fest der Bildungsausschüsse des Eggentals statt. erforderlich). Am 16. Juli findet dort auch ein für die Talbewohner gedachtes Fest der Bildungsausschüsse des Eggentals statt.

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